Kakerlaken

Kakerlaken in der Milch

Es gab von Z1 bis Z6 Kakerlaken an Bord, wahrscheinlich auch in der übrigen Flotte. Wir haben sie zwar nie so richtig liebgewonnen, aber uns doch irgendwann mit ihnen abgefunden.

Während der Werftliegezeit in Hamburg wurden mehrere Tage alle Schotten, Lüftungsrohre und Ritzen verklebt und für Ungeziefer giftiges Gas ins Schiff geblasen. Nach einiger Zeit - damit auch die Brut erledigt ist - wurde die Prozedur wiederholt. Als dann die Besatzung wieder an Bord durfte, war das Schiff kakerlakenfrei. Aber schon drei Wochen später entdeckten wir erste lebendige Exemplare, und nach einigen Wochen war alles beim alten.

Das zur Einstimmung. Neben dem Schott der Kombüse stand tagsüber eine "Milchkanne" mit Kujambel. Wer Durst hatte, füllte sich das Getränk mit dem dort hängenden Schöpflöffel in seinen Becher. Im Sommer war, wenn wir an der Pier lagen, gelegentlich auch herrlich frische, kühle Milch in der Kanne. Manfred "Whisky" und ich wollten uns Milch holen. Deckel hoch, die Kanne war noch ziemlich voll, aber - mittendrin schwamm eine Kakerlake. Wir überlegten, was zu tun sei, beruhigten uns dann aber selbst mit der Annahme, dass das Tier sicher eben erst hineingefallen ist. Mit dem Schöpflöffel fuhren wir sorgfältig herum. Deckel wieder drauf, fertig. Die Milch hat uns trotzdem gemundet.

Am späten Nachmittag schaute ich nochmals in die Kanne. Sie war fast leer, und unten drin war immer noch die inzwischen verendete Kakerlake. Da müssen wohl alle durstigen Sailors mit der Kelle rundherum geschöpft haben.

Kakerlaken für Anfänger

Alle drei Monate, am "Marinewandertag", ging ein Teil der Besatzung von Bord und wurde durch neue, meist frisch von den Gastenlehrgängen kommenden Leuten ersetzt. Im Gegensatz zu unserer hervorragenden Bordverpflegung hatten sie seither in den Ausbildungsstandorten nur mäßige Qualität genießen können. Beim ersten Mittagessen gingen ihnen die Augen über, und sie packten sich das Tablett so voll, dass man eigentlich ein Mützenband hätte drumspannen müssen.

Für diese Situation hatten sich einige "alte" vorbereitet. In der Tasche hatten sie eine Zündholzschachtel mit mehreren frisch gefangenen Kakerlaken. Die Rollenverteilung war abgesprochen: Die neuen werden abgelenkt und dann die Schachtel über ihrem Tablett entleert.

Entsetzte Gesichter der neuen: Igitt, was ist denn das...usw!!

Und so ging das Ritual weiter: Mit vorwurfsvollem Gesichtsausdruck sagten die "alten": Habt euch doch nicht so, das ist an Bord völlig normal, die Kakerlaken tun uns nichts, und wir tun ihnen nichts, das sind quasi unsere Haustiere, schieb sie einfach zur Seite usw.

Für die "neuen" war die Mahlzeit jetzt meist gelaufen. Wir haben sie dann später über den Schabernack aufgeklärt, damit sie künftig mit gutem Appetit essen konnten.

Uwe Hecht