Meine Versetzung von Z2 ins Flottenkommando Glücksburg/Mürwik zum Jahreswechsel 1978/1979 (während der Schneekatastrophe in Norddeutschland.....das sollte nicht das einzige sein, was katastrophal und chaotisch ablief)

Nach einem halben Jahr auf dem "Löwen" Z2 hatte ich mich schweren Herzens entschlossen, dem Kommandanten FKK Bretschneider mein Versetzungsgesuch vorzulegen. Da ich gegenüber dem Alten neben einem Haufen Respekt auch Sympathie empfand - ich hatte immer das Gefühl, von seiner Seite war zumindest Wohlwollen vorhanden -, dachte ich mir also, das geht schon klar. Als Mannschaftsmitglied der Wachtmeisterei hatte ich ja doch öfter mit ihm zu tun, wenn auch weit weniger mit dem (zweiten) IO meiner Borddienstzeit; mit diesem Herrn konnte ich mich nun wirklich nicht anfreunden, aber das ist eine andere Geschichte.

Also, der Alte ruft mich auf die Kdt-Kammer und fragt mich frei heraus: "Nyiry, was soll der Quatsch?" Da war ich erstmal verdutzt, aber mir fiel dann doch - nach ewig gefühlter Schrecksekunde - eine passende Antwort ein: "Herr Kaptän, nach der MDV und den Richtlininen für den See-Einsatz muß jedes Besatzungsmitglied bei Seenotlage und Verlassen des Schiffes in der Lage sein - in voller Montur - durch ein Mannloch zu kommen. Aufgrund meiner Größe und Körpermaße ist mir dies aber nicht möglich." Darauf der Alte: "Sie Schlaumeier, da kann ich dann wohl nicht mehr viel machen. Schauen wir mal, daß wir für Sie was vernünftiges an Land finden."

Er hat Wort gehalten, ich wurde ins Flottenkommando - damals unter VA Fromm - versetzt, genauer, auf die Dienststelle KdoMFüSys, die zum Jahresbeginn 1979 erst eingerichtet werden sollte (unter KK Baron von Toll). Na, dachte ich mir, ist nicht weit weg von meinem Hamburg, machst Du Dir also für den Rest Deiner BW-Zeit einen Lenz unter den Streifenträgern, Bootsmannsveteranen und was sich sonst so alles tummelt. Konnte ich wissen, was auf mich zukommt??

Nachdem ich also Weihnachten und Neujahr an Bord verbracht hatte - es war saukalt im Deck und feucht wie in einem Brunnen auf der Koje, und ich mußte ständig raus wegen Eis und Räumaktionen - aber wir hatten eine super Stimmung, Top Verpflegung dank unserer Smutjes (die wichtigsten Leute an Bord) und flüssigen Motivationshilfen (Löwencocktail mit nur 2 Zutaten!!!) sowie weihnachtlich mild gestimmten Vorgesetzten - packte ich also mit einem dicken Kloß im Hals meinen Seesack und legte die erste Geige an, da Versetzungsfahrt mit der DB angeordnet war. Im Klartext: Bei diesem Schietwetter als Pinguin unterwegs. Meine Freude hierüber kann man sich vorstellen.

Zur gleichen Zeit gingen auch aus der Führungsriege einige. Bei manchen hat man sich über den Abgang gefreut, mit anderen wäre man gern weiterhin dem Klabautermann hinterher gejagt und Poseidon den Dreizack abgejagt.

Die Bahnfahrt Kiel-Flensburg mache ich kurz, obwohl sie aufgrund der Schneekatastrophe einen halben Tag gedauert hat.

Nun stand ich also vorm Flottenkommando und kam nicht rein. Tenor der Wache: "Was, Sie wollen zum Kommando Marineführungssysteme?? Mensch, Seemann, das haben wir hier selbst nicht!!"

Ich wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, da kam aus dem Dunkel der Hütte ein tiefer sonorer Baß: "Sagt mal, hat da wer zu lange im Schnee gestanden und der Kopp ist eingefroren? Rein mit dem Mann!" So, dachte ich, Nyiry, das wird hier jetzt heiter. Und mir war wirklich kalt. Ein Veteran alla Blecheimer begrüßte mich "BW-herzlich" nach dem Motto: Rührn, der Anschiß kann länger dauern - und erläuterte mir ausschweifend, daß hier wohl ein Fehler vorliegen müßte - natürlich von der versetzenden Dienststelle Z2 (der Mann konnte ja nicht wissen, daß ich mir die Papiere fast alle selbst geschrieben hatte bzw. schreiben mußte). Nun kam der Moment, wo ich auch mal was sagen durfte und konnte die Sache klären.

Tja, klar war eigentlich nix. Keine Dienststelle, keine Dst-Räume, keine Vorgesetzten, auch keinen "Landschmadding", also Spieß - die waren nämlich noch alle im Urlaub - und so stand Klein-Nyiry mit kalten Füßen und allein und kam noch immer nicht hinein!!! Durch den Standortwachtmeister (den konnte man auch im Dunkeln erkennen dank Nasenleuchten in sattem Rot) erhielt ich dann wenigstens noch eine Koje für die Nacht. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß die Kantine geschlossen und der ganze Bunker kalt war und für mich die Atmosphäre einer JVA hatte. Was für ein Unterschied zum gemütlichen Fletcher, mit meiner Alu-Pritsche Nr. 1 von vieren ganz oben, direkt unterm Lüfter und schön im Eck vom Deck.

Am liebsten hätte ich meinen Seesack geschnappt und wäre stiften gegangen, aber ich traf auf der Stube dann wenigstens noch einen Bordfahrer als Leidensgenossen. Dem ging es wohl genauso, er kam von einer Fregatte. Wir wurden aber für die kurze gemeinsame Zeit nicht so recht warm miteinander.

"Nach schlecht und recht durchwachter Nacht kam morgens schnell der erste Apell. Mir war nicht bang, doch es dauerte nicht lang, da hatte Nyiry dicken Groll und die Schnauze voll!"

Nachdem ich die Gestalten von Land-Marinern steuer- und backbord gesichtet hatte, wurde mir klar: Oh Gott, bis zum Ausscheiden im Juli wird das eine harte Zeit für Dich.

Da ja niemand was mit mir anzufangen wußte und somit auch keiner sich um mich kümmerte, bin ich also mit Z2-Nadel am Päckchen ! in Richtung Standortkommandatur gestiefelt. Wer mal im Fkdo war, der weiß, da kannst Du Dich auch mal schnell verlaufen. Nun, dort wußte man vom KdoFüSys auch nur vom Hörensagen, also wurde telefoniert. Nun war durch die Schneekatastrophe auch dort allgemeines Ballyho angesagt. Der Diensthabende hatte schon nach kurzer Zeit irgendwie auch gar keinen Bock mehr, sich noch länger mit mir zu beschäftigen. Wenigstens gab er mir den Tip, in den Bau soundso zu gehen, der sei leer geräumt. "Geh' mal hin, schau nach, vielleicht ist da jemand." Er meinte gehört zu haben, da gibt es demnächst ne neue Dienststelle.

Den inneren Kompaß ausgerichtet, stiefelte ich also wieder los - schon wieder mit kalten Füßen und anderen Körperteilen - und fand den Bau.

Oh, ihr Wasserteufel, Poseidon und liebliche Seenixen, das sah doch mal ordentlich aus. Für damalige BW-Verhältnisse richtig propper, sauber und ordentlich eingerichtet. Und ich traf auf Teile der zukünftigen Mannschaft, alle Typen auf ihre Art, und meine Stimmung begann merklich Fahrt aufzunehmen, denn aus der "Kombüse" vernahm ich den leckeren Geruch von frischem Mett, Zwiebeln und einem frisch gebrühten, starken Kaffee.

Ich merkte: Piet, hier bist Du richtig. Mein erster Diensttag wurde dann noch richtig gut, und ich kann sagen, ich war wirklich aktiv am Aufbau einer neuen Marine-Dienststelle dabei - natürlich nicht mit den Erlebnissen und Emotionen wie auf dem "Löwen" vergleichbar, aber auch auf dieser Dienststelle habe ich interessante Menschen getroffen und was fürs Leben mitgenommen - wie aus meiner gesamten Marinezeit.

Ich denke manchmal an meinen alten Wachtmeister Obtsm Vogel: "Großer, wenn Du willst, kannst Du bei der blauen Flotte was fürs Leben lernen. Wenn nicht, verpaßt Du eine Chance."

Er hat Recht behalten

Verfasser und Anekdotenschreiber: HG Peter Nyiry, Bordmitglied auf Z2 1978

PS: Laut MOB-Befehl wäre ich als Maat d.R. angetreten. Der Hergott wollte es, daß dieser Fall nie eintrat, und nun verrottet dieses Papier zu Recht in einem Ordner.