Der Schrat

NATO-Manöver 1961 in der Ostsee.

Z5, genannt "Die graue Sau der Ostsee", fährt in Kiellinie mit anderen Zerstörern der Fletcherklasse eine Übung vor Bornholm, bei uns besser bekannt als "Klein Japan". Woher der Name stammte, wußte niemand, er war einfach irgendwann mal da.

Der Verband läuft gen Osten mit AK ab. Ich habe Brückenwache. Plötzlich ein kurzes, höllisches Pfeifen, ein deutscher Starfighter, besser bekannt als "Witwenmacher", zieht im Tiefflug von achtern über uns hinweg und ist auch schon wieder verschwunden, bevor noch die radargesteuerten 3-inch-Flakzwillinge überhaupt reagieren können.

Der Kommandant, Fkpt. Obermeier, ein bayerisches Urvieh, tobt. "Wo war denn der achtere Ausguck, der Lackl, der damische?" brüllt der sonst als eher bierruhig bekannte "Alte". Über die Gefechtsleitung wird der achtere Ausguck zusammengefaltet. Auf die Vorhaltung, warum er denn die anfliegende Maschine nicht gemeldet habe, antwortete der Gefreite Günter G. treuherzig: "Der Vogel kam aus der Sonne, den hab' ich nicht gesehen, ich war so geblendet!" Darauf der Kommandant: "Mensch, sie Schrat, so etwas müssen Sie einfach ahnen!"

Eine ganze Zeit passiert achtern nichts. Es geht auf den Abend zu, doch plötzlich eine umwerfende Meldung: "Achterer Ausguck an Brücke, ich ahne ein Flugzeug aus der Sonne!" Im ersten Moment betretenes Schweigen, doch dann habe ich selten eine solche Lachsalve - und das ohne Kommando (!) - bei einem militärischen Einsatz gehört.

Den Namen "Schrat" hat der Gefreite übrigens während seiner restlichen Dienstzeit auf der "Grauen Sau" behalten.

Wolf-Dieter Reimann

Damals Maat SE 11